Versorgungs-Report 2011

Chronische Erkrankungen

Die angemessene Versorgung chronisch Kranker stellt eine zentrale Herausforderung für das Gesundheitssystem dar: Chronische Krankheiten verursachen die meisten Kosten im Gesundheitswesen und bedingen häufig Arbeitsunfähigkeit und Pflegebedürftigkeit. Angesichts einer älter werdenden Gesellschaft, aber auch durch neue Behandlungsmöglichkeiten werden ihr Umfang und ihre Bedeutung weiter zunehmen. Für Chroniker steht im Vordergrund, ihre Lebensqualität trotz Krankheit zu erhalten. Deshalb ist es besonders wichtig, dass medizinische Behandlungen koordiniert erfolgen und Leistungserbringer wie Ärzte und Krankenhäuser miteinander kooperieren.

Der Versorgungs-Report 2011 liefert wertvolle Informationen über das Ausmaß chronischer Erkrankungen und deren Behandlungsbedarf in Deutschland. Er analysiert sektorübergreifend Routinedaten über die ambulante und stationäre Therapie. Steuerungsansätze wie Disease-Management-Programme oder Patienten-Coaching stehen ebenso im Fokus wie Prävention, gesundheitspolitische Rahmenbedingungen und Anreizstrukturen mit ihren Auswirkungen auf die Versorgung.

TEIL I Schwerpunkt: Chronische Krankheiten

Entwicklung chronischer Krankheiten

Birte Hintzpeter, Sabine Maria List, Thomas Lampert, Thomas Ziese

In den Industrieländern haben chronische Krankheiten etwa seit Mitte des 20. Jahrhunderts die akuten Infektionskrankheiten als häufigste Todesursache abgelöst. Angesichts der demografischen Entwicklung wird ihre Bedeutung in Zukunft weiter zunehmen. Neben der steigenden chronischen Krankheitslast durch die Alterung der Bevölkerung führt der medizinische Fortschritt zu einer Zunahme chronisch Kranker, unter anderem durch Vorverlagerung des Diagnosezeitpunktes und Verbesserung der Überlebensaussichten. Nach der Beschreibung von Mortalität und Morbidität bestimmter chronischer Krankheiten (Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebserkrankungen, Diabetes mellitus, psychische Störungen und muskuloskelettale Erkrankungen) werden einige ihrer Risikofaktoren in diesem Beitrag aufgezeigt. Da eine vollständige Ausheilung chronischer Krankheiten meist nur begrenzt möglich ist, wird der Prävention eine besondere Rolle beigemessen.

Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des längeren Lebens – Zukunftskonzept des Sachverständigenrats

Ferdinand M. Gerlach, Martin Beyer und Antje Erler

Der Sachverständigenrat Gesundheit schlägt ein Zukunftskonzept zur gesundheitlichen Versorgung in einer Gesellschaft des längeren Lebens vor, das auf eine regional differenzierte, populationsbezogene und sektorübergreifend koordinierte Versorgung aus einer Hand zielt. Das Fundament bildet eine qualitativ hochwertige hausärztliche Grundversorgung. Die Finanzierung erfolgt über eine Kombination aus einer prospektiven, kontaktunabhängigen risikostratifizierten, alle Leistungen umfassenden Capitation und gezielten qualitätsbezogenen

Die Chronikerversorgung im Fokus des Kassenhandelns

Klaus Jacobs und Jutta Linnenbürger

Noch vor rund zehn Jahren war es um die Chronikerversorgung in Deutschland schlecht bestellt. Eine wesentliche Ursache dafür lag in der starken Fragmentierung des Versorgungssystems mit vielen unzureichend abgestimmten Teilzuständigkeiten einzelner Beteiligter ohne einen Akteur mit Gesamtverantwortung für Qualität und Wirtschaftlichkeit des ganzen Versorgungsprozesses. In einem vertragsbasierten Gesundheitssystem kann die Krankenversicherung eine solche Akteursrolle übernehmen und gegenüber den Leistungserbringern als Sachwalter der Interessen von Versicherten und Patienten wirken. Diese Rolle hat der deutsche Gesetzgeber den Krankenkassen im Kontext der Chronikerversorgung explizit zugewiesen, indem die Kassen für ihre in zugelassene Disease-Management- Programme eingeschriebenen Versicherten seit 2002 im Risikostrukturausgleich gesonderte Beitragsbedarfe erhielten. Diese Regelung hat zu einer nachgewiesenen Verbesserung für mehr als fünf Millionen chronisch kranke Versicherte geführt. Auch nach der 2009 erfolgten Einführung des direkt morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs wurde die Sonderstellung zugelassener Disease-Management-Programme in Gestalt der GKV-weiten Erstattung von Programmkostenpauschalen fortgesetzt. Angesichts des durch die zeitgleiche Einführung des Gesundheitsfonds verursachten starken Ausgabendrucks auf die Krankenkassen hat sich dies im Nachhinein als richtige Entscheidung erwiesen. Auch bei künftigen Anpassungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen sollte behutsam vorgegangen werden, um die unübersehbaren Fortschritte in der Chronikerversorgung nicht zu gefährden.

Erfahrungen mit strukturierten Behandlungsprogrammen (DMPs) in Deutschland

Evert Jan van Lente

Die seit 2003 schrittweise zu sechs Indikationen eingeführten Disease-Management-Programme (DMPs) der gesetzlichen Krankenkassen sind mit über 6 Millionen Teilnehmern ein fester Bestandteil der Versorgung chronisch kranker Patienten in Deutschland. Auf Basis der evidenzbasierten Medizin sollen sie durch verbindliche Standards für Diagnose, Therapie, Dokumentation, Qualitätssicherung, Überweisung und aktive Beteiligung der Patienten die Versorgung verbessern. Leistungserbringer und Patienten verpflichten sich freiwillig zur Einhaltung dieser Vorgaben. Da vor dem Start der Programme keine Evaluation im Rahmen einer randomisierten Studie implementiert werden konnte, sind nach der Einführung der DMPs mehrere alternative Wege beschritten worden, um die Auswirkungen der strukturierten Behandlung auf die Prozess- und Ergebnisqualität der medizinischen Versorgung zu untersuchen. Der Artikel gibt einen Überblick zu den Ergebnissen mehrerer Evaluationsansätze, die sich vor allem auf das DMP Diabetes mellitus Typ 2 beziehen. Sie unterscheiden sich in Methodik und Datenbasis, kommen aber zu einem übereinstimmenden Ergebnis: Durch die Einführung der DMPs hat sich die Versorgung der teilnehmenden Patienten verbessert. So zeigen Auswertungen zur gesetzlichen Evaluation der Programme, die auf pseudonymisierten Daten von mehreren Millionen DMP-Teilnehmern beruhen, bei den kontinuierlich teilnehmenden Patienten eine Stabilisierung bzw. Verbesserung der medizinischen Werte sowie einen Rückgang von Folge- und Begleiterkrankungen (Abschnitte 4.2 und 4.3). Risikoadjustierte Forschungsansätze, die einen Vergleich von DMP-Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern ermöglichen, lassen signifikante Vorteile zugunsten der Programmteilnehmer erkennen (Abschnitte 4.4 und 4.5).

Prävention chronischer Krankheiten

Ulla Walter und Richard Lux

Tabak- und Alkoholkonsum, Bewegungsmangel sowie Übergewicht sind wesentlich für die Entstehung und den Verlauf chronischer Erkrankungen verantwortlich. Diese Risikofaktoren zu verhindern oder zu verringern, Ressourcen zu stärken und Lebensbedingungen zu optimieren, ist eine der bedeutsamsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Dabei bedarf es mehrdimensionaler Präventionsstrategien und deren Integration in die stärker zu verzahnenden Versorgungsbereiche. Der Beitrag zeigt Zielgruppen, Akteure, Ansätze, Angebote und Kontexte der Umsetzung auf.

Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen durch Patienten mit koronarer Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz

Bettina Gerste

Der Beitrag beschreibt die Versorgungssituation von Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz, welche zu den häufigsten und kostenträchtigsten Erkrankungen in Deutschland zählen. Auf der Basis von Krankenkassenroutinedaten konnte eine Schätzung der Erkrankungshäufigkeit und der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen dieser Patienten für Deutschland vorgenommen werden. Dazu wurden die Daten der ambulanten und stationären Versorgung sowie die Arzneimittelverordnungen herangezogen. Die Diagnoseangaben in den Routinedaten wurden sehr sorgfältig interpretiert und die Aufgreifkriterien zur Identifizierung von Zielpersonen entsprechend formuliert.

Diabetes mellitus – Versorgungsmonitoring auf der Basis von Routinedaten

ngrid Schubert und Ingrid Köster

Diabetes mellitus zählt in Deutschland mit rund sieben Millionen diagnostizierten Patienten zweifelsohne zu den Volkskrankheiten. Der eher im Alter auftretende Typ-2-Diabetes geht mit einer hohen Komorbidität (Hypertonie, Adipositas, Fettstoffwechselstörung) einher. Gefürchtete Folgen dieser oftmals erst spät erkannten Erkrankung sind Blindheit, Nierenversagen, Herzinfarkt, Schlaganfall und Amputationen. Seit Jahrzehnten werden Anstrengungen unternommen, Prävention und Versorgung zu verbessern. Neben der Behandlung der Hyperglykämie und insbesondere der kardiovaskulären Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht und Rauchen kommt der Aufklärung und Schulung der Patienten ein hoher Stellenwert zu. Seit 2002 besteht mit dem Disease Management Programm (DMP) für Diabetes Typ 2 ein strukturiertes Versorgungsprogramm zur Verfügung.

Das Bemühen um Versorgungsqualität erfordert Transparenz über den Versorgungsalltag. Mittels Daten der gesetzlichen Krankenversicherung können Kennziffern für ein Versorgungsmonitoring, das alle Patienten einschließt, erhoben werden. Auf der Basis der Versichertenstichprobe AOK Hessen/KV Hessen lässt sich die Versorgungsqualität – hier am Beispiel der Behandlung des Diabetes mellitus – gegenwärtig über einen Zeitraum von acht Jahren abbilden. Hierbei zeigt sich, dass relevante Untersuchungen wie die Überprüfung der Blutzuckerwerte, der Blutfettwerte und der Nierenfunktion im Jahr 2007 zwar deutlich häufiger als im Jahr 2000 durchgeführt wurden, doch noch nicht, wie eigentlich zu erwarten wäre, bei allen Patienten dokumentiert sind. In Bezug auf die Augenhintergrunduntersuchung fällt auf, dass diese nur bei zirka einem Drittel der Diabetiker dokumentiert ist und seit 2003 auf diesem Niveau verharrt. Der Stellenwert der kardiovaskulären Prävention zeigt sich unter anderem an der Verordnungsweise der Statine. Auch hier ist seit dem Jahr 2000 ein deutlicher Anstieg in der Behandlungsprävalenz von 30 Prozent auf 50 Prozent der Diabetiker mit Dokumentation einer Fettstoffwechselstörung zu verzeichnen. Neben diesen Prozessparametern werden für das Versorgungsmonitoring auch Ergebnisparameter wie stationäre Aufenthalte herangezogen. Der Anteil der Diabetiker, bei denen ein stationärer Aufenthalt mit der Entlassungsdiagnose Diabetes mellitus dokumentiert war, ist von 4,8 Prozent im Jahr 2000 auf 3,6 Prozent in 2007 zurückgegangen. Die Amputationshäufigkeit stellt einen weiteren Ergebnisparameter dar. Im Jahr 2000 war bei 6 Promille der Diabetiker eine Amputation der unteren Extremitäten und Füße dokumentiert. Im Jahr 2007 lag dieser Anteil bei 5 Promille.

Kennziffern zum Versorgungsmonitoring auf der Basis von GKV-Daten bilden ab, in welchem Umfang bestimmte  Therapieempfehlungen und Verlaufskontrollen durchgeführt werden und wie sich Ereignishäufigkeiten wie zum Beispiel Krankenhausaufenthalte, Herzinfarkte, Amputationen, Tod im zeitlichen Verlauf entwickeln. Die Kennziffern können für unterschiedliche Patientengruppen (Alter, Geschlecht, Komorbidität) erhoben werden, um Hinweise auf besonderen Versorgungsbedarf zu erhalten. Im Unterschied zu den DMP-Dokumentationen stehen keine Angaben zur Verfügung, ob ein erhöhter Blutzucker oder Blutdruck gesenkt werden konnte. Bei Heranziehung der GKV-Daten sind jedoch Aussagen über die Versorgung aller Versicherten mit Diabetes möglich. Welche Kennziffern sich als Qualitätsindikatoren eignen, bedarf noch der Untersuchung, ob sie eine Steuerungswirkung entfalten und nicht mit Fehlanreizen verbunden sind.

Schlaganfallversorgung in Deutschland – Inzidenz, Wiederaufnahmen, Mortalität und Pflegerisiko im Spiegel von Routinedaten

Christian Günster

Auf der Grundlage von Angaben zur Krankenhausbehandlung von 24,1 Millionen AOK-Versicherten im Jahr 2008 konnten Inzidenzen für erstmalige Schlaganfälle in Deutschland ermittelt werden. Demnach gab es im Jahr 2008 standardisiert auf die deutsche Bevölkerung 266 Erstinsulte pro 100.000 Einwohner (95 Prozent Konfidenzintervall 263,8 bis 267,2). Betrachtet wurden Insulte aufgrund von Hirninfarkt und Hirnblutungen (ICD-10: I60 bis I64), die in den fünf Jahren zuvor keine Hinweise auf einen vorherigen Schlaganfall oder eine transitorische ischämische Attacke aufweisen. Die Ein-Jahres-Sterblichkeit nach Erstinsult beträgt 24,3 Prozent. Mit höherem Alter und Pflegebedürftigkeit vor Insult steigt das Sterberisiko an. Routinedaten der Krankenkassen können präzise Informationen zur Häufigkeit, Behandlung und Risiken in der Versorgung von Schlaganfallpatienten liefern.

Hypertonie

Katrin Janhsen

Bluthochdruck (Hypertonie) kommt bei fast jedem zweiten Erwachsenen in Deutschland vor. Die meisten Patientinnen und Patienten leiden nicht oder nur geringfügig unmittelbar unter dem erhöhten Blutdruck. Langfristig ist aber mit schweren Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Niereninsuffizienz zu rechnen und Hypertonie ist in vielen europäischen Ländern dadurch der führende Risikofaktor für Todesfälle (WHO 2009). Bemühungen zur Prävention und Therapie der Hypertonie zielen daher vor allem darauf ab, diese Folgekrankheiten zu vermeiden.

Coaching und multidisziplinäre Versorgung bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen

Christiane E. Angermann, Hermann Faller, Georg Ertl, Stefan Störk

Die Gesundheitspolitik begegnet dem medizinischen und demographischen Wandel mit neuen Behandlungsformen, die Coaching und multidisziplinäre Versorgung mit dem Ziel primärer bzw. sekundärer Krankheitsprävention einschließen. Unterschiede von Erkrankungsschwere, Komorbiditäten, Altersstruktur und Bedürfnislage verschiedener Patientengruppen erlauben nicht, für ein spezielles Versorgungsprogramm konzipierte und evaluierte Strategien zu generalisieren. HeartNetCare-HF© wurde für poststationäre Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz entwickelt. Angestrebt wird hier eine Vernetzung verschiedener Versorgungsebenen mit dem heimischen Patientenumfeld, wobei supervidiertes spezialisiertes Pflegepersonal per Telefon die Patienten nach standardisierten Vorgaben überwacht und schult, dem Hausarzt bei der Optimierung der Pharmakotherapie hilft und das Zusammenwirken verschiedener Leistungserbringer unterstützt. Die Patienten werden bereits während des stationären Aufenthalts in das Programm eingeschlossen, dessen Effizienz in einer randomisierten und kontrollierten Studie belegt wurde. Mit HeartNetCare-HF© steht erstmals ein im deutschen Gesundheitssystem evidenzbasiertes, potenziell in die Regelversorgung überführbares Versorgungsprogramm für herzinsuffiziente Risikopatienten zur Verfügung.

Teil II Zur Diskussion

Ärztliche Versorgung: Mangel oder Allokationsproblem?

Joachim Klose und Isabel Rehbein

Die Diskussion um den Ärztemangel in Deutschland und die Sicherstellung einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung für die Bevölkerung hält nach wie vor an. Der folgende Beitrag will vor diesem Hintergrund die Verteilung von Vertragsärzten in der ambulanten Versorgung transparent machen. Für elf der wichtigsten Arztgruppen wird die regionale Versorgungslage im Jahre 2009 anhand der gültigen Kriterien der Bedarfsplanungsrichtlinien dargestellt. Es zeigt sich, dass die vertragsärztliche Versorgung durch erhebliche Allokationsprobleme gekennzeichnet ist. Eine gleichmäßige Verteilung der Ärzte konnte mit den bisherigen Maßnahmen der Bedarfsplanung nur bedingt erreicht werden. Es gibt in Deutschland nicht zu wenig sondern eher zu viele Ärzte, nur sie sind schlecht verteilt.

Arztentlastende Delegationsmodelle: AGnES und Co.

Wolfgang Hoffmann, Adina Dreier, Neeltje van den Berg

Gestiegene Anforderungen an die Qualität und gesundheitsökonomische Effizienz im Gesundheitswesen sowie die Konsequenzen des demographischen Wandels vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Fachkräftemangels in den Gesundheitsberufen erfordern innovative Versorgungsansätze zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung. Die Integration der noch immer bestehenden Sektoren ist dabei entscheidend. Entscheidend für die Übernahme von Versorgungsaufgaben ist die Qualifikation, die auf der Basis evidenzbasierter, modularer Qualifizierungen lebenslang erworben wird. Ziel ist eine kooperative Neugestaltung der Arbeitsteilung zwischen den Gesundheitsberufen, die am Behandlungsziel und -ergebnis orientiert ist und sich dabei stärker als bisher am Patienten orientiert. Die Fachkraft vor Ort muss, unter der Bedingung einer adäquaten Qualifizierung, aber weitgehend unabhängig von standesrechtlichen Hinderungsgründen, in der Lage versetzt werden, die notwendigen Aufgaben zu übernehmen.

Telemedizin – Barrieren und Möglichkeiten auf dem Weg in die Regelversorgung

Wilhelm Schräder und Bianca Lehmann

Telemedizin bietet das Potenzial, den Problemen der Sicherstellung einer bedarfsgerechten flächendeckenden medizinischen Versorgung, die sich im Zuge des demographischen Wandels zeigen, entgegenzuwirken. Voraussetzung dafür ist die Aufnahme der Telemedizin in die Regelversorgung. Obwohl bereits eine Vielzahl telemedizinischer Anwendungen in unterschiedlichen Versorgungsbereichen erprobt und positiv evaluiert ist, verhindern zahlreiche Barrieren aber bisher eine flächendeckende Nutzung. Daher ist es dringend notwendig, dass die Politik verbindliche Rahmenbedingungen für den Implementierungsprozess schafft. Die Koordinierung der verschiedenen Interessen der beteiligten Akteure, die Förderung der sektorübergreifenden Vernetzung, das Zusammenführen bestehender Aktivitäten und der Abbau der identifizierten Barrieren sind zentrale Aufgaben, die von den institutionellen Treibern im Rahmen dieses Prozesses zu erbringen sind.

Teil III Daten und Analysen

Erkrankungshäufigkeiten und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen

Bettina Gerste und Christian Günster

Dieser Beitrag bietet eine Übersicht über die Häufigkeit von Erkrankungen sowie Informationen zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen in den drei ausgabenwirksamsten Leistungssektoren des Gesundheitswesens. Der Überblick stellt auf der Grundlage von Routinedaten Kennzahlen zur ambulant ärztlichen Versorgung, Arzneimittelversorgung sowie zur stationären Versorgung dar. Die Nutzung von Routinedaten für die Zwecke der Versorgungsforschung wird in den letzten Jahren vielfältig diskutiert (Swart und Ihle 2005). Stehen doch Routinedaten – hier im Konkreten Abrechnungsdaten aus den Übermittlungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern – ohne oder mit geringem Aufwand prinzipiell für Versorgungsanalysen zur Verfügung. Die Angaben liegen im Unterschied zu Survey-basierten Primärerhebungen, die mit Non-Response und Ausfallraten konfrontiert sind, für alle Versicherten vollständig vor, da sie notwendiger Bestandteil der Abrechnung von Leistungen sind.